Ich wollte für „Kunst, Kommerz & Kinderkriegen“ vor allem mit Kreativen reden, die schon einige Arbeitssysteme erlebt hatten – und in ihrem aktuellen sehr glücklich wirken. Einer der ersten auf meiner Liste war mein alter Texterschmieden-Kollege Oliver. 2004 waren wir dort zusammen in einem Jahrgang und seitdem war es wenig langweilig:

Nach einigen Jahren als festangestellter Texter bei Jung von Matt und Philipp und Keuntje, machte Oliver sich erst als freier Texter selbstständig – um mit dem dort verdienten Geld und seiner Partnerin die eigene Konditorei für Makrönchen zu eröffnen. Mittlerweile findet man Jö Makrönchen in bester Lage direkt in Hamburg Ottensen gegenüber der Zeise Hallen.

Warum machst du das, was du machst?

Oliver Kohtz: Das mit den Makrönchen war vor allem eine spannende Herausforderung. Denn eine Idee für ein funktionierendes Unternehmen ist ein deutlich weiterer Schritt, als nur eine Idee für ein fertiges Produkt wie in der Werbung. Das war wie ein riesengroßer 360 Grad Case. Mit dem ganzen Rattenschwanz, der dann da dran hängt. Abgesehen davon, dass ich Süßigkeiten gerne mag 🙂
Das war auf jeden Fall weniger dieser „ich will unbedingt ein Startup“-Drang, den grade gefühlt fast alle haben. Der Trend geht ja schon zum zweit-Startup. (lacht)

Aber du hast doch keine Konditorei eröffnet, weil du unbedingt einen 360 Grad Case machen wolltest.

Ein bisschen schon. Wir wollten schon so was machen und die Ideen hatten fast immer mit Essen zu tun. Gut, in meinem Fall hätten das auch Fahrräder sein können.
Wir haben die Ideen dann darauf abgeklappert, wo wir Potential sehen. Das sollte man auch machen, bevor du irgendwas gründest. Ich lese grade ein Buch, dass heißt „Die 4 Stunden Woche“ von Timothy Ferriss. Der zäumt das Pferd von hinten auf. Der fragt sich, „wie schaffe ich es, möglichst wenig zu arbeiten und welches Produkt kann mir das bieten?“ Der rät zum Beispiel schon Google AdWords zu schalten, bevor du überhaupt ein Produkt hast. Als Mini-Marktforschung, ob das überhaupt einer anklicken würde. So hat er auch den Titel für sein Buch gemacht. „Die 4 Stunden Woche“ wurde am häufigsten geklickt. Schlau.
Aber so schlau waren wir dann doch nicht (lacht). Wir haben eher ein Produkt gesucht, was wir selber gut fanden. Der Ferriss hat dann am Ende Muskelaufbaupräparate verkauft, glaub ich.

Aber man verändert sich ja nicht, wenn alles super ist. Lag’s an der Werbung?

Nein. An der Festanstellung. Die fand ich doof. Freelancen dagegen fand ich nicht doof. Das hatte auch den Zweck, das Projekt zu finanzieren. Man hat als Freier eben viel mehr Freizeit und die kann man sinnvoll nutzen. Wenn du nicht gebucht bist, hast du Zeit. Und wenn du gebucht bist, hast du Geld. Beides super.
Jedenfalls ist es sehr schlau diese Zeit zu nutzen. Sei es für Lebensqualität oder in unserem Fall für ein Unternehmen, was einfach sehr viel Zeit braucht. Am Anfang steckt man da vor allem Zeit rein, bis da mal ein bisschen Geld rauskommt.
Aber ich arbeite auch trotzdem immer gerne noch hin und wieder frei. Ist halt ein völlig anderes arbeiten.

Vermisst du die Werbung?

Naja, wenn die Rahmenbedingungen stimmen, kann der Job super Spaß machen. Ich empfinde es auch immer noch als Privileg, für große Marken arbeiten zu können. Das ist eigentlich fast immer sehr spannend. Ich hab’ auch vor ab nächstem Jahr, wenn wir besser aufgestellt sind, mir 4-5 Werbe-Projekte raus zu picken. Also für 2-3 Wochen, länger nicht. Sibylle sagt oft, ich jammere. Denn immer wenn einer anruft und ich absagen muss, bin ich danach für zwei Minuten schlecht gelaunt.

Ich kenn das. Dann sitz‘ ich auf dem Spielplatz mit Henry und jemand ruft an. Dann ärgert man sich doch. Obwohl eigentlich alles super ist. 

Wobei es ja meistens so ist, dass die erste Woche total super ist, in der zweiten gab’s dann vielleicht schon Kundenfeedback oder die MaFo mit Fokusgruppe und in der dritten oder vierten Woche denkt man dann wieder: Was für ein Nonsens! Warum werden die Leute hier alle bezahlt, für das was hier grade nicht entsteht? Als Freelancer hat man wenigstens noch das Geld, als Festangestellter steckst du einfach nur mittendrin.

Gibt’s eigentlich Tipps für dieses Firma gründen, während des Freelancens?

Möglichst viel recherchieren und möglichst viel erfragen – aber sich auf keinen Fall von anderen auf seinem Weg beirren lassen. Also möglichst alles wissen, aber trotzdem immer seinen Weg verfolgen!

Es gibt drei Typen von Leuten, die dir begegnen werden, wenn du eine eigene Firma aufmachst:
Die einen sind die ganz fiesen Zauderer und Stirnrunzler, die dir dann offen ins Gesicht sagen: „Oouuuhh, seid ihr euch da sicher?!? Na ja, aber dies und das…“.
Die machen fast 60-70% aus. Die muss man ein bisschen ignorieren. Also man kann sich das anhören und vielleicht auch bedenken, aber niemals zu Herzen nehmen.
Und dann gibt’s die, die sagen: „Super! Find’ ich richtig gut!“ – Sind aber insgeheim auch nur ein Wolf im Schafspelz, die sich im Nebensatz fragen „naja, mal gucken was draus wird. Ich glaub ja eigentlich nicht dran.“
Und dann gibt’s noch vielleicht 5%, die das wirklich gut finden und sagen: „Geil! Find‘ ich super! Mach’ das!“ Und das auch wirklich meinen. Die unterstützen einen dann auch währenddessen. Das sind leider auch die, die du nachher an einer Hand abzählen kannst. Die kommen dann auch zur Eröffnung. Das sind auch immer Leute, die frei sind von Konkurrenzdenken und Neid. Das haben die einfach nicht, weil die auch glücklich sind mit dem was sie selber machen. Das sind eben leider sehr wenige.
Diese Stirnrunzler setzen einem auch echt zu. Jetzt ist das so, dass der Laden wirklich richtig gut läuft. Und dann hast du mal eine Pause von 5 Minuten, in denen mal keiner im Laden ist – wetten, dann kommt so eine Arschgeige rein, die sich umguckt und meint „Aha, mh-mh, tja, da müssen Sie aber auch ganz schön viele von diesen kleinen Dinger verkaufen, damit sich das lohnt, was?“ Und man denkt sich nur, du Blödmann, eben war hier noch eine Schlage bis auf die Straße und du kommst jetzt.
Bis man mal über diesen Typen wirklich drüber stehen kann, da vergeht eine Weile.

Joemakroenchen

Und wie war die Gründung rein finanziell?

Naja, als Texter bin ich da vielleicht das falsche Beispiel. Ich war fast ein Jahr in einer Agentur durch gebucht und von dem Geld haben wir dann unsere erste Backstube gekauft.

So ungewöhnlich ist das gar nicht. Die beiden Gründer von Nerdindustries waren auch ein Jahr in einem großen Network und haben sich damit finanziert. 

Stimmt. Lys, der Möbelladen in Ottensen hat das auch so gemacht. Scheint zu funktionieren.

Hast du eigentlich Bewerbungstipps? Wie war das bei dir?

Ich hab mich eigentlich gar nicht oft beworben. Nicht mal als Freelancer wirklich.

Aber du hattest das Glück, dass du einen Partner hattest!

Das stimmt! Wenn man einen Kreativpartner findet, mit dem man gut arbeiten kann, dann ist das viel wert. Hilft auch beim frei arbeiten sehr, weil man so die schwachen Tage ausgleichen kann. Man ist ja nicht jeden Tag brillant. Man kann zu zweit eine homogenere, konstantere Leistung schaffen.
Auch ganz dankbar, weil man als Freelancer schon deutlich mehr auf dem Prüfstand steht, wie als Festangestellter. Manchmal kommt man in Konstellationen, da arbeiten drei freie Teams parallel und noch vier feste Teams, dann ist das schon ein harter Wettbewerb in den Abstimmungen. Dann ist es schön, wenn man nicht alleine den Kopf hinhalten muss.

Da muss man zur Not auch einfach drüber stehen.

Absolut. Man muss sich ja nur Freelancer angucken, die das schon seit Jahrzehnten machen. Wenn die einen schlechten Tag haben, tragen die ihre Sachen dann vor, als wäre alles super gelaufen. Und Kreation ist ja eh immer extrem subjektiv. Wenn da so ein Haudegen mit dickem Fell sagt, das hier ist super, dann behält der auch irgendwie Recht.

Du bist ja mittlerweile selber Haudegen, was würdest du eigentlich deinem 10 Jahre jüngeren Ich als Tipp geben?

Ich glaube, ich hatte immer ganz gute Ideen, aber ich war nicht immer konsequent genug. Und ich hab dann auch zu oft Ideen liegen lassen. Du musst das Ding schon alleine bis ins Ziel tragen! Oder zumindest so weit ein Auge drauf haben, dass es nicht untergeht. Und man muss dafür sorgen, dass die Idee dann auch genauso ist und nicht irgendwas verloren geht.
Denn wenn man mal eine gute Idee hat, die wirklich losrennt, springen plötzlich zig andere da mit drauf und fummeln da rein. Manchmal auch deine Vorgesetzten. Da muss man dann schon penetrant bleiben, damit die Idee trotzdem was wird.
Das hab ich früher immer zu selten gemacht. Ich war da immer etwas zu bequem. Und wollte mich auch nicht streiten, aber manchmal geht’s halt nicht anders.

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