Das hier möchte nicht noch ein Blog-Post zum Thema Flüchtlinge sein. Zumindest nicht noch einer der vor allem Nazis beschimpft und erklärt, dass man Menschen nicht anzünden, verhauen oder anpinkeln sollte (macht man einfach nicht).
Ich bin dieser Tage nur stolz auf meine Wahlheimat Hamburg. Denn hier läuft gefühlt sehr viel richtig zum Thema. Nicht unbedingt politisch, aber doch gesellschaftlich. Daher diese Anleitung zum Machen.
1. Nichts anzünden.
Gestern sah ich dieses Bild in dem sehr lesenswerten Post der ZDF Reporterin Dunja Hayali:
Hamburg ist die zweitgrößte Stadt des Landes und es gab nicht einen Übergriff auf Flüchtlingsheime. Schlimme Zeiten, in denen so etwas schon etwas Besonderes ist. Aber dennoch.
Nebenbei bemerkt: Anzünden kostet Geld. Und zwar dieses wertvolle Steuergeld, vom dem die „Asylkritiker“ gerne sprechen. Wenn Sie also zufällig jemand sind, der (leere) Flüchtlingsheime anzünden oder demolieren will oder durch seine Anwesenheit dafür sorgt, dass Hundertschaften Polizei benötigt werden – dann verschwenden Sie Steuergeld. Auch meins. Bitte unterlassen Sie das. Wenn Sie schon kein Mitgefühl für Menschen haben, denken sie wenigstens daran.
Hamburg hat laut Wikipedia
14% Ausländeranteil und
30% Migrationshintergrundanteil. Ich schreibe das extra dazu, weil mir in den letzten Wochen Einige aus NRW und Bayern geantwortet haben: „Ja ihr in euerm reichen Hamburg. Zu euch kommen die ja nicht“. Nicht ganz falsch. Denn „die“ sind längst hier. Bayern hat übrigens 10%, NRW 11% und alle neuen Bundesländer (Sachsen, etc.) verschwindend geringe 1,9 – 2,8% Ausländeranteil.
2. Moin sagen.
Vielleicht wissen(!) wir deswegen, dass „die“ nichts Böses wollen. Und auch nach Jahrzehnten mit „denen“ bleibt die gesellschaftliche Apokalypse erstaunlicherweise aus. Auf meiner Hobby-Facebookseite „Schöne Texte“ war übrigens der erfolgreichste Post seit Monaten (nach Likes, Shares und Reichweite) dieser hier:
Und so ist das. In meinen ersten Jahren in Hamburg hab‘ ich in einer WG in St. Georg in der Böckmannstraße am Steindamm gewohnt. Im Erdgeschoss hatte das Haus einen Friseur aus dem Irak und einen Dönerimbiss aus ihr wisst schon. Vor dem Haus standen fast immer einige dunkelhäutige Männer. So liberal kann man gar nicht sein, als das man sich da nicht manchmal mulmig fühlt.
Zumindest in den ersten Tagen. Denn mein Mitbewohner hatte einen kleinen Fernseher an sein Hochbett montiert, den man von der Straße gut sehen konnte. Kaum schaltete er das erste Mal Fußball ein, formte sich unten eine Traube und es wurde sofort gejubelt, dass man endlich von der Straße aus Fußball gucken konnte. Die Männer riefen zu uns hoch, wir sollten doch dazu kommen, sie hätten auch Snacks und Getränke. Gesagt, getan und schon war Hamburg gefühlte 1000 km weiter südlich, so herzlich und offen war es da. Ich hatte in Hamburg immer Glück mit meinen Nachbarn, aber gastfreundlicher und lustiger war es nie.
Manchmal denke ich mir, vielleicht braucht jeder so einen Moment im Leben. Eine Art persönlichen Beweis, dass Menschen aus anderen Ländern genauso nett oder doof sind, wie Menschen aus dem eigenen Land. Vermutlich ist auch exakt das der Grund, warum die Sachsen dieser Tage so ausklinken. Wer nie mit einen Ausländer gesprochen hat, der denkt halt automatisch das Schlimmste. Tipp:
3. An die Menschenrechte denken.
Es klingt fast abgedroschen, aber Menschen sind alle gleich. Daran erinnert auch die großartige und in Hamburg entwickelte Aktion:
4. Von Kindern lernen.
Diese gefühlten Unterschiede zwischen Menschen sind übrigens gelernt und nicht angeboren. Das sieht man an kleinen Kindern, die einfach mit anderen Kindern sofort drauf los spielen, egal wo die herkommen. Zu diesem Thema gab’s die Tage eine ganz faktische Erklärung von Quarks&Co.
5. Einfach mal mit Flüchtlingskindern an den Elbstrand fahren.
Hat Georg E. Möller einfach mal gemacht. Einfach so. Hinfahren, fragen, abfahren, freuen.
(Texter-Anmerkung: Darf man eigentlich dreimal hintereinander das Wort „einfach“ benutzen? Nur, wenn man damit etwas sagen möchte.)
6. Spenden und Mithelfen.
Auf diesem etwas chaotisch wirkenden Bild von Stefan Grahl sehen Sie die Spendensammlung in den Messehallen. Sortiert und verteilt wird übrigens fast alles von Freiwilligen.
Angefangen hatte das mit einer Aktion des Hamburger Abendblatts, bei der ich in einem riesigen Stau in der Innenstadt beim Abendblatt stand und mir ein lächelnder Polizist sagte, ich sollte doch einfach den Wagen hier mitten am Großen Burstah (mitten im Zentrum) auf der Straße parken, um meine Sachen abzugeben. Das Schöne ist, man spendet und fühlt sich den ganzen Tag gut. Es ist fast egoistisch.
6.1. Eine Facebook-Gruppe zum Spenden und Helfen gründen.
In Hamburg gibt es duzende kleine Facebook-Gruppen wie z.B. „Private Flüchtlingshilfe Hamburg“. Solche Gruppen kann man übrigens auch für den eigenen Wohnort in 5 Minuten selbst erstellen.
6.2. Bei der größten Initiative der Stadt mitmachen.
Was wäre Hamburg ohne „Fördern & Wohnen“ – Der mit Abstand größten Freiwilligen-Initiative für Flüchtlinge. Selten in der Presse, dafür überall vor Ort. Wer dabei helfen oder spenden möchte: hier sind die Ansprechpartner in den jeweiligen Stadtteilen:
Team Freiwilligenkoordination
Grüner Deich 17
20097 Hamburg
Christiane Schröder
Tel. (040) 42 83 5 – 3277
Kristina Schulz
Tel. (040) 42 83 5 – 3387
Erstaufnahme Sportallee
Sportallee 70, 22335 Hamburg
Telefon: 040 42835 5040
Erstaufnahme Schnackenburgallee
Schnackenburgallee 81, 22525 Hamburg
Telefon: 040 300 331 55
Erstaufnahme Dratelnstraße
Dratelnstraße 15, 21109 Hamburg
Telefon: 0176 42852 736 oder 0176 42852 779
Erstaufnahme Schwarzenberg
Schwarzenberg 1, 20173 Hamburg
Telefon: 0172 4238 377
Erstaufnahme Holstenhofweg
Holstenhofweg 84, 22043 Hamburg
Telefon: 0176 42851 662
Erstaufnahme Niendorfer Straße
Niendorfer Straße 99, 22529 Hamburg
Telefon: 0176 42852 734
Erstaufnahme Sülzbrack
Auf dem Sülzbrack, 21037 Hamburg
Telefon: 0176 42852 934
Erstaufnahme Jenfelder Moorpark
Jenfelder Allee / Ecke Jenfelder Straße, 22045 Hamburg
Telefon: 0176 42851 662
Erstaufnahme Grellkamp
Grellkamp 40, 22415 Hamburg
Telefon: 0176 42852 734
7. Auf den Käpt’n hören.
Der Hamburger ist angeblich so reserviert und kühl. Falls das wirklich mal so war – vielleicht waren es ja die 14% Ausländer, von denen wir soviel Wärme gelernt haben. Fragt die doch mal. Oder den Käpt’n.