Aus der Reihe „Wie fantastisch ist bitte der Job eines Texters“:
Irgendwann abends bei den Nachbarn Jule & Jan, von denen Jule zufälligerweise die PR für die Bretterbude an der Ostsee macht. Ich erzähle, dass wir da waren und ich die Campingdusche sehr sehr großartig fand. Gut, das hab ich dann etwas ausgeschmückt und sie meinte: „Kannst du das bitte genauso aufschreiben? Sowas wär für unser Magazin super!“
Hab ich gemacht. Toller Beruf. Aber auch ne tolle Dusche.
Leseempfehlung: Weil Doppelseiten traditionell nicht besonders mobil-optimiert sind, gibt’s den Text auch unter dem Bild.
Bin ja schließlich Text-Dienstleister.
„Haste Scheiße am Fuß, haste Scheiße am Fuß“ dieses Kleinod großer deutscher Poesie von Andreas Brehme wurde vermutlich für die Deutsche Nasszelle auf Campingplätzen geschrieben. In was hab ich nicht schon alles gestanden? Ernstgemeinte Frage, denn ich weiß es wirklich nicht. Von „Glibsch mit Haaren“ bis „wenn ich die Augen schließe und mir vorstelle, es wäre feuchtes Moos, ist es nicht mehr ganz so schlimm“, war alles dabei.
Leute ernsthaft – was stimmt nicht mit euch beim Thema Dusche? Besonders der auch aus Hallenbädern gefürchtete Nass/Trocken-Übergang scheint ein praktisch ungelöstes Problem darzustellen. Immer trippelt man mit einzelnen Zehen würdelos auf seinen Latschen herum, in der Hoffnung den feuchten Fuß in einem Rutsch durchs Hosenbein zu bekommen. Was noch die geklappt hat. Noch nie. Eher reisen wir durch schwarze Löcher als mit feuchten Füßen durch Stretch-Jeans.
Das gilt gar nicht mal nur für Hartgeld-Campingplätze in Kasachstan, sondern auch für feinste Upper-Class-Duschtempel in Sterne-behängten Hotels. Was mich da alles genervt hat war mir gar nicht klar, bis ich einmal die perfekte Dusche erlebt hatte. Ja, perfekt. Die Japaner haben übrigens kein Wort für „perfekt“. Die sagen „es fehlt nicht viel“. Aber hier fehlt gar nichts. Hier stimmt alles. Japaner wären sprachlos.
Ich hab sie gefunden: Die perfekte Dusche. Die eine, die alles richtig macht.
Sie steht – Trommelwirbel – im billigen Camping-Container der Bretterbude. Unprätentiös. Eine Dusche so erhaben, so stolz, als würde sie selbst wissen, dass sie alle überleben wird. Kein ordinärer Marmor und gar Gold. Nichtmal Chrom. Ein Elysium des Duschvergnügens ist einem nahtlosen Stück Hartkunststoff. Lagerfeld würde sie ein “One Piece“ nennen, wäre sie mal in Paris gewesen.
Bisschen dicke? Zuviel Werbung? Ihr habt sie ja nicht mehr alle! – Höre ich schon den imaginären Kommentarbereich vorglühen. Okay – da müssen Fakten rein. Also kommen wir zur teutonischen Begründung der gesamten Gutheit dieser Dusche:
Der Empfang.
Ich komme also morgens verschlafen mit Handtuch, Waschtasche und einer aktiven Gehirnzelle in die Dusche. Intuitiv hänge ich meine Sachen an die vorhandenen Haken. Ja, liebe Ingenieure: „vorhandene Haken“ sind hier die magischen Zauberworte. An dieser Stelle gibt es für locker ein Drittel aller Duschen schon mal kein Foto für die nächste Runde.
Der Eintritt.
Ich gehe locker in die Kabine und dabei über einen 5cm hohen Damm, der auf geradezu geniale Weise das Wasser in der Dusche und die Trockenheit im Umzieh-Bereich lässt. Nichts gegen bodentiefe Duschen – aber ohne Rand läuft doch der ganze schaumige Sabsch überall hin, verdammt noch mal! Und die Kanten sind auch noch alle abgerundet, sodass nirgendwo was gammelt. Hier war ich schon verliebt. Aber der kritischste Moment kommt noch.
Die Brause.
Auf jeder Reise die Lotterie: „Was passiert, wenn ich das Wasser aufdrehe?“ Spratottert und hustet mir das Verderben entgegen? Plätschert ein trauriges druckloses Bächlein heraus? Schießt mit ein Laser-gleicher Mikrowasserstrahl aus einer verkalkten Düse direkt ins Auge? Die Spannung steigt ins Unermessliche! Und sinkt in einem sanften 0815-Regendusch-Strahl ohne besondere Vorkommnisse direkt auf Normalnull. So wie es sein soll. (Pro-Tipp für alle Hoteliers: nehmt doch einfach 0815-austauschbare Duschbrausen, die man auch mal als Ganzes in einen Eimer Kalklöser stellen kann. Fest in der Wand verbaute Brausen sind fast zwangsläufig schnell vergriesgnaddelt.)
Das Thermostat.
Ich könnte mittlerweile problemlos Tresorschränke der Sicherheitsklasse 5 knacken, mit meinen chirurgisch-feinen Fingerfertigkeiten an Drehknöpfen! Ein halber Nanometer entscheidet oft zwischen kahaaahaaalt und AAAAaaaheiß! Und Wechselwarm my ass. Wer so eine Folter am frühen Morgen gesund findet, ist entweder Fakir oder nicht ganz dicht. Nicht so hier: Direkt (und nicht nach 30 Test-Litern!) völlig korrekt temperiertes warmes Wasser. Jamann!
Das Wasser.
Läuft. Klingt simpel, klappt fast nie. Ich muss nicht alle 30 Sekunden auf einen Knopf drücken. Ich muss keine Münzen kaufen und ständig einwerfen. Und es ist nicht plötzlich weg oder eiskalt, wenn irgendwo anders jemand duscht. Duschen solange man will. In der Temperatur die man will. Der Tag kann eigentlich gar nicht mehr schlecht werden.
Das Schaumieren.
Es gibt eine Ablage in der Dusche für das Duschgel, durch die – Achtung, anschnallen – nichts durchfallen kann UND trotzdem kein seifiges Glibschwasser stehen bleibt (weil es eine Ablaufmöglichkeit an der Seite(!) gibt). Überschüttet die Erbauer mit Preisen bitteschön!
Der Abschied.
Das furiose Finale findet seinen dramatischen Höhepunkt durch den besagten Wechsel in den Trockenbereich. Der – oh Wunder – immer noch trocken ist. Nicht nur durch den Zauber des 5cm-Dammbaus, sondern auch durch die fabelhafte Belüftung des Raums. Bitte mit Ranga Yogeshwars Stimme lesen: „Wenn kein Wasserdampf an Wänden und Decke kondensiert, läuft auch kein Wasser auf den Boden.“ Physik! Toll.
Hach, was war das schön. Liebe Duschdesigner, Hoteliers und Hallenbadausstatter, schaut auf diese Dusche! Das weiße Bernsteinzimmer unter den Nasszellen. Ich hab‘s gefunden. Draußen vor der Bretterbude in einem Container.
WorkAutorTeamJulia Buhk, Koje KommunikationAwardsADC BronzeLinkwww.kojekommunikation.de